Immobilienmarkt Deutschland – ein Ausblick auf 2023

Oliver Alexander Obert
Managing Partner

Reflections
19 Jan 2023

Immobilienmarkt Deutschland – ein Ausblick auf 2023

2023 wird das Jahr der schmerzhaften Preisanpassungen werden, die in 2022 erst begonnen haben und noch nicht abgeschlossen sind.

Rückblick auf 2022

  • Der Immobilien Transaktionsmarkt in Deutschland (inklusive Wohnen) hat das Jahr 2022 mit circa 65 Mrd. EUR (2021: 110 Mrd. EUR | -41 %) Transaktionsvolumen abgeschlossen.
  • Vor dem Hintergrund des starken ersten Quartals 2022 mit circa 24 Mrd. EUR, bedeutet dies durchschnittlich lediglich circa rund 14 Mrd. EUR pro Quartal für die Quartale 2-4. Im zweiten Halbjahr ist das Transaktionsvolumen an manchen Märkten regelrecht eingebrochen. So wurden im Frankfurter Investmentmarkt mit über 0,5 Mrd. EUR lediglich 10 % des Gesamtjahres im letzten Quartal abgeschlossen, so wenig wie seit über 10 Jahren nicht mehr.
  • Die komplexe wirtschaftliche und politische Gemengelage, die zu einer seit Jahrzehnten nicht gekannten Inflation und immer weiter steigenden Zinsen im Jahresverlauf 2022 führte, haben das Underwriting von Immobilien während einer Transaktion fast unmöglich gemacht. Zudem wird das Transaktionsumfeld durch eine erhebliche Anpassung der verfügbaren Finanzierungskonditionen verschlechtert – von Banken und alternativen Finanzierern. Diese Situation hat bei vielen Investoren dazu geführt, abzuwarten. Dies betrifft sowohl die Verkäufer, die keinen Verlust realisieren wollen, als auch die Käufer, die nicht in ein fallendes Messer greifen wollen.

Ausblick 2023

Transaktionen

  • Den Prozess des Abwartens und Taktierens sehen wir noch nicht abgeschlossen, da die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage zu hoch ist und sich nicht einfach innerhalb der nächsten 6 Monate durch neue Erkenntnisse der Akteure schließen lässt. Für Investmentprofis ist klar, dass fremdfinanzierte Immobilien aufgrund der Zinssteigerungen bis zu 35 % an Wert verloren haben gegenüber den Jahren 2018 bis 2021. Leerstehende, risikobehaftete, ältere Immobilien sowie Gebäude außerhalb der Spitzenlagen trifft diese Preisanpassung sogar in noch höherem Maße, da hier die Lagequalität und zu erwartende ESG-Maßnahmen an den Gebäuden für zusätzliche, teilweise überproportionale Sicherheitsabschläge sorgen und auch die Finanzierung nochmals deutlich erschwert ist. Somit wäre für viele Verkäufer eine Veräußerung mit einem Verlust verbunden. Da eine Rettung durch eine kurzfristige Veränderung der Zinsen nicht in Sicht ist, werden sich Investoren in den nächsten 24 Monaten, mehr als in den Vorjahren, verstärkt auf wertschöpfendes Asset Management konzentrieren müssen. Bei der Restrukturierung oder Verlängerung von Finanzierungen werden Investoren gezwungen sein, zusätzliches Eigenkapital nachzuschießen oder die alleinige Kontrolle über die Immobilie verlieren.
  • Eigenkapitalstarke Käufer, die bereit sind mit 100 % EK zu belegen, werden weiterhin einen Vorteil genießen. Neben der höheren Transaktionssicherheit sind diese auch in der Lage höhere Preise als fremdkapitalfinanzierte Käufer zu bezahlen, da die letzteren ab einem bestimmten Pricing in die Gefahr kommen, in einen negativen Leverage Effekt zu laufen. Das Pricing dieser Investoren wird von Renditen getrieben sein, die sich in anderen Assetklassen, insbesondere Aktien und Anleihen, erzielen lassen. Wie in der Vergangenheit werden EK-starke Investoren primär Core-Immobilien suchen.
  • Opportunistische Käufer, die traditionell auf den Einsatz einer höheren Fremdkapitalquote angewiesen sind, haben es derzeit schwerer Deals abzuschließen. Fremdkapital ist nur in geringerem Volumen verfügbar, teurer oder – in Abhängigkeit des Risikoprofils – überhaupt nicht verfügbar. Sollten Investoren auch hier bereit sein „all equity“ zu gehen, ist dies aufgrund des teureren Eigenkapitals mit einem noch stärkeren Abschlag auf den Kaufpreis verbunden, was die Transaktion aus Sicht des Verkäufers zusätzlich erschwert.
  • Wir sehen die Spitzenrenditen für Büroimmobilien in Toplagen weiterhin im Bereich bei maximal 4,25 % – 4,75 %. Abseits der Toplagen, auch in den BIG 6, eher im Bereich von maximal 4,75 % - 5,25 %. Dies spiegelt sich in den Kommentaren der großen Maklerhäuser noch nicht wider, obwohl es keinen Investor (Käufer) mehr gibt, der bereit ist höhere Preise zu bezahlen.

Finanzierung

  • Die Leitzinsen der amerikanischen Notenbank stehen derzeit bei einer Spanne von 4,25 % - 4,50 %. Die Marktteilnehmer gehen davon aus, dass der Zinserhöhungszyklus der Fed bis März vorerst beendet sein wird. Selbst wenn die Fed insgesamt nur noch 50 bps erhöht, dies entspricht einer Spanne von 4,75 % - 5,00 %, ist nicht davon auszugehen, dass es eine schnelle Trendwende in die andere Richtung geben wird. Dazu überwiegen die Risiken, die die Inflation kurzfristig weiter anheizen könnten, wie der starke amerikanische Arbeitsmarkt und das Konjunkturpaket der Biden Regierung von über 1,9 Billionen USD.
  • Die EZB spricht von einer Beendigung der Erhöhungen bis „Sommer“. Strategen erwarten höhere Zinsbewegungen der EZB im Vergleich zur Fed. Bei vier weiteren Sitzungen kann man von einer Spanne von 3,50 % - 4,00 % bis Juni ausgehen (heute 2,50 %).
  • Die langfristigen Zinsen (10-Jahres Euro Swap) schwanken in den letzten beiden Monaten zwischen 2,70 % und 3,30 % mit einer sinkenden Tendenz seit Anfang Januar bei einer gleichzeitig immer noch hohen Volatilität.
  • Wir sehen im Jahr 2023 keine Entspannung an der Zinsfront, da wir nach wie vor mit einer hohen, wenn zuletzt auch rückläufigen, Inflation konfrontiert sind. Auch wenn sich die Verfügbarkeit von Gütern, insbesondere Rohstoffen, verbessert, werden Lohnsteigerungen und ein schwacher Euro-Kurs gegenüber dem US-Dollar weiterhin preistreibend wirken.
  • Im Verlauf des Jahres 2022 haben Banken wie auch alternative Finanzierer ihre Konditionen angepasst – ausgelöst durch den oben beschriebenen und begründeten Druck auf Immobilienbewertungen - der sowohl neue Finanzierungen als auch bestehende Engagements betrifft. Zentralbanken und andere Aufsichtsbehörden pochen zudem auf eine konservative Kreditgewährung und verstärken somit die Zurückhaltung von regulierten Finanzinstituten. Alternative Kreditgeber sehen sich konfrontiert mit höheren Renditeforderungen ihrer Investoren, die an Kreditnehmer weitergegeben werden.
  • Bei Finanzierungsanfragen sind Investoren mehr denn je gehalten, ein breites Universum an Finanzierern anzusprechen, um die bestmöglich erzielbaren Konditionen auszuloten. Zudem ist es unumgänglich, gegenüber Kreditgebern die Tragfähigkeit einer Finanzierung im Detail zu analysieren und zu begründen.
  • Der zur Bedienung von Fremdkapital vorhandene Cashflow – durch Mieterlöse oder Verkäufe – hat aufgrund der gestiegenen Zinsen und der damit einhergehend gesunkenen Immobilienbewertungen ganz erheblich an Bedeutung gewonnen. Entsprechend sind spekulative Projektentwicklungen und Landentwicklungen in besonders hohem Maße von der Kreditverknappung betroffen.
  • Ein Austrocknen des Marktes – wie während der Finanzkrise – ist indes nicht zu beobachten. Zur Verdeutlichung: Im Herbst 2008 handelten Immobilien-Pfandbriefe, für die es bisher noch nie einen Ausfall gegeben hatte, teilweise mit einem Aufschlag von 150 bps gegenüber Bundesanleihen. Finanzierungen sind nach wie vor verfügbar, jedoch müssen Investoren mehr Zeit einplanen und vor allem auch mehr Eigenkapital mitbringen. Da erhöhte Eigenkapitalanforderungen sowohl von Banken als auch alternativen Finanzieren gestellt werden, nimmt die Wettbewerbsfähigkeit von Banken, aufgrund der höheren Kosten von alternativen Kreditgebern, wieder zu.
  • Das Credo für Finanzierungen in 2023 wird sein „die eine Finanzierung“ zu bekommen und nicht wie in den vergangenen Jahren die beste Finanzierung unter verschiedenen Optionen in der Nachkommastelle zu verhandeln.

Prognose

  • Für das Jahr 2023 sehen wir ein Transaktionsvolumen von 55 Mrd. EUR - 60 Mrd. EUR, bei einem stetigen Steigen der Spitzenrendite für Bürogebäude auf über 4.00 %.